Mutter der Barmherzigkeit Eucharistische Anbetung 2 Kopie Quadrat Foto: Roswitha Dorfner

Wallfahrtsmotto 2023

Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage, bis zum Ende der Welt! - Mt 28,20b

Die Erfah­run­gen, die der Apos­tel Pau­lus auf sei­nen Mis­si­ons­rei­sen macht und im zwei­ten Brief an die Korin­ther beschreibt, ken­nen wir als Botin­nen und Boten Jesu Chris­ti auch. Sie blei­ben offen­sicht­lich für alle, die in der Nach­fol­ge Jesu Chris­ti ste­hen und für IHN in der Welt Zeug­nis able­gen, zeit­los gül­tig. Er schreibt: Von allen Sei­ten wer­den wir in die Enge getrie­ben und fin­den doch noch Raum; wir wis­sen weder aus noch ein und ver­zwei­feln den­noch nicht; wir wer­den gehetzt und sind doch nicht ver­las­sen; wir wer­den nie­der­ge­streckt und doch nicht ver­nich­tet (2 Kor 4,8f). Die Erfah­run­gen, von denen der Völ­ker­apos­tel spricht, sind dia­lek­tisch. Sie beschrei­ben das Span­nungs­ver­hält­nis zwi­schen Enge und Wei­te, zwi­schen Heil und Unheil; zwi­schen Ver­zweif­lung und Frie­den; zwi­schen Freu­de und Ver­nich­tung.

Unser Leben ist von Span­nun­gen geprägt, weil die Welt ihrem Wesen nach dia­lek­tisch ist. Die Welt und unser Dasein basie­ren auf den Grund­span­nun­gen zwi­schen Sein und Nicht-Sein, zwi­schen Gut und Böse, zwi­schen rich­tig und falsch, zwi­schen Ja und Nein, zwi­schen Licht und Fins­ter­nis, zwi­schen oben und unten, zwi­schen Lie­be und Hass, zwi­schen Leben und Tod. Ja, wir kön­nen alle unse­re Bezie­hun­gen und Ver­hält­nis­se in der Welt mit die­sen Span­nungs­ver­hält­nis­sen beschrei­ben und auf die­se zurück­füh­ren. So sind die Welt und das Leben! — Was bedeu­tet das?

Damit wird deut­lich, dass wir Men­schen die Frei­heit haben, uns in den jewei­li­gen Span­nungs­ver­hält­nis­sen zu ent­schei­den, wel­cher Sei­te wir uns aktiv zuwen­den oder wel­cher wir uns pas­siv erge­ben wol­len. Der fran­zö­si­sche Phi­lo­soph Jean-Paul Sart­re sag­te ein­mal: Der Mensch ist zum Frei­sein ver­ur­teilt und er gibt für sei­ne Posi­ti­on ein ein­leuch­ten­des Bei­spiel, wenn er sagt, dass auch der Steu­er­mann den Kurs des Schif­fes bestimmt, der sich wei­gert, das Steu­er in die Hand zu neh­men. Zur Frei­heit gibt es kei­ne Alter­na­ti­ve!

Gegen­über die­sem dunk­len Frei­heits­be­griff des Exis­ten­zia­lis­ten, der kei­ne Hoff­nung kennt und kei­ne Hoff­nung zulässt, weil er die Frei­heit nur mehr auf die for­ma­le Wahl zwi­schen zwei Din­gen redu­ziert, leben wir aus unse­rem Glau­ben her­aus eine Frei­heit, die stets das Gute, das Wah­re und das Schö­ne wählt und damit Hoff­nung schenkt und Leben ermög­licht. Die­se Frei­heit der Kin­der Got­tes (Röm 8, 21) grün­det in der Tat­sa­che, dass wir uns im Glau­ben an Jesus Chris­tus, den Sohn Got­tes, von Schuld und Sün­de befreit und zum Leben in Herr­lich­keit erlöst wis­sen. Wir gehö­ren auf­grund unse­rer Tau­fe auf Jesu Chris­ti Tod und Auf­er­ste­hung zur Gemein­schaft der Hei­li­gen (Röm 6). Unse­re Hei­mat ist im Him­mel (Phil 3,29). Dort­hin ist uns Jesus Chris­tus vor­aus­ge­gan­gen, um für uns alle Woh­nun­gen vor­zu­be­rei­ten (Joh 14, 2f). Und vor sei­ner Him­mel­fahrt hat er sei­nen Jün­gern — und damit auch uns! — das Ver­spre­chen und die Zusa­ge gege­ben: Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt. Mit die­sem Wort der Zuver­sicht — mit dem Ver­spre­chen sei­ner blei­ben­den Gegen­wart — endet das Mat­thä­us­evan­ge­li­um. Mit die­sem Wort der Hoff­nung und des Tros­tes beginnt die Zwi­schen­zeit der Kir­che. Es beschreibt die Span­nung, in der wir alle bis zu Jesu Chris­ti Wie­der­kunft am Ende der Welt ste­hen, und in der wir uns tag­täg­lich bewäh­ren und ent­schei­den müs­sen: Von Jesus Chris­tus mit dem Auf­trag in die Welt gesandt, alle Men­schen für ihn als Jün­ge­rin­nen und Jün­ger zu gewin­nen; sie auf den Namen des Vaters und des Soh­nes und des Hei­li­gen Geis­tes zu tau­fen; und sie zu leh­ren, alles zu befol­gen was er uns gebo­ten hat (Mt 28, 19), bleibt er uns nahe! Indem uns Jesus von sich weg in die Bedräng­nis­se der Welt sen­det, die der Apos­tel Pau­lus in sei­nem zwei­ten Brief an die Korin­ther beschrie­ben hat, bleibt er uns nahe. Die jesu­a­ni­sche Logik von Nach­fol­ge und Sen­dung lau­tet also: Nur indem wir von zuhau­se weg­ge­hen, fin­den wir unse­re Hei­mat. Nur indem wir alles, was wir haben und genie­ßen mit Freu­de weg­ge­hen, wer­den wir über­reich beschenkt. Oder wie Jesus sagt: Wenn das Wei­zen­korn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, dann bringt es rei­che Frucht. Denn wer sein Leben liebt, der ver­liert es; wer aber sein Leben in die­ser Welt gering­ach­tet, der wird es bewah­ren bis ins ewi­ge Leben (Joh 12, 24f). Des­halb dür­fen wir uns in jeder noch so miss­li­chen Lage, in jeder noch so gro­ßen Bedräng­nis, in jedem noch so gro­ßen Elend, immer wie­der das Ver­spre­chen Jesu in Erin­ne­rung rufen: Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage, bis zum Ende der Welt!

Dr. Klaus Metzl
Stadt­pfar­rer und Wallfahrtsrektor