Am 5. September wurden die Brüder Samariter FLUHM im Rahmen eines Gottesdienstes offiziell als Nachfolger der Kapuziner im Altöttinger St. Magdalena-Kloster begrüßt. Im Gespräch gewährt der Hausobere Bruder Gabriel Hüger Einblicke wie Ausblicke in den jungen Orden und dessen Präsenz am Gnadenort.
Die freundliche und unkomplizierte Art von Bruder Gabriel macht es einem leicht, Zugang zur neuen Ordensgemeinschaft am Kapellplatz zu finden. Genau das soll auch die Arbeit der Brüder prägen: den Menschen Zugang zu ermöglichen – Zugang zur Heiligen Schrift, Zugang zu Gott und zum Glauben. Doch der Reihe nach.
Gegründet wurde der junge Orden 1982 durch den polnischen Priester Andrzej Michalek aus einem privaten Gebetskreis heraus. Erster Generaloberer wurde Bruder Gabriel Hüger. Inzwischen gibt es Niederlassungen in Klein-Mariazell, Hafnerberg, Pottenstein, St. Corona am Schöpfl, Retz (alle Niederösterreich) und Hilariberg (Tirol). Und eben ganz frisch in Altötting. Das passt gut, ist doch die Marienverehrung ein zentraler Bestandteil der Ordensspiritualität. Womit wir beim komplizierteren Teil des Ordensnamens wären, dem Kürzel FLUHM. Es steht für „Flamme der Liebe des Unbefleckten Herzens Mariens“. Die Gemeinschaft in Altötting ist ein eingetragener Verein. Die Gemeinnützigkeit soll dabei helfen, die Betriebskosten des großen Gebäudekomplexes samt Personal besser schultern zu können.
Soll er den Kern seines Ordens erklären bringt es Bruder Gabriel so auf den Punkt: „Wir sind eine Brüdergemeinschaft in der Tradition des barmherzigen Samariters, der die Not der Menschen sieht und nicht vorbei geht, sondern stehen bleibt und hilft. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Marianische, die Liebe der Mutter Gottes, die wir weitergeben möchten. Das passt natürlich wunderbar auch zum Wallfahrtsort Altötting. Die Menschen, die als Pilger kommen, sind hungrig, wollen mehr von Gott hören und seine Hilfe erfahren. Das ist genau unser Wunsch: Den Menschen unseren wunderbaren Glauben näherzubringen.“
Schön und gut, aber hat es dafür unbedingt einen neuen Orden gebraucht? Es gibt doch schon so viele und die meisten haben ohnehin Nachwuchsprobleme. Lächelnd pariert Bruder Gabriel die kleine Provokation: „Papst Franziskus hat mal so schön gesagt, wir sollen bereit sein für die Überraschungen des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist reagiert ständig auf die Nöte der Zeit und die Kirche wird immer wieder neue Blumen hervorbringen.“
Die Brüder Samariter haben zugehört und sehen demnach ihre Zukunft unter anderem in der Wallfahrtsseelsorge. In allen Zeiten der Kirche seien Wallfahrtsorte von den Menschen gern aufgesucht worden, bekräftigt Pater Gabriel: „So wollen wir an den verschiedenen Wallfahrtsorten, an denen unsere Gemeinschaft bereits angesiedelt ist, den Menschen mit ihren Freuden und Leiden begegnen, sie bekanntmachen mit den Schätzen der katholischen Kirche und sie begleiten zu einer persönlichen Freundschaft mit Jesus.
In Altötting wollen sich die fünf Brüder vor Ort zunächst einmal nach Kräften bei den bestehenden Diensten und Programmen einbringen. „Wenn uns jetzt von der Diözese Passau dieses wunderbare Kloster anvertraut worden ist, dann nicht zum Eigennutz“, betont der Hausobere. Dazu soll das Kloster – abgesehen von den fünf Klausurzimmern – für die Menschen da sein, die Gott suchen, die Stille brauchen oder auch für verschiedene Gruppen aus der Pfarrei oder aus der Wallfahrt wie zum Beispiel die Pilgerbetreuer. Mit der Administration sei ausgemacht, dass es verschiedene Räume gibt, die für alle da sind – den Club-Raum etwa und das Refektorium. „Wir als Brüder Samariter koordinieren die Nutzung und machen entsprechende Reservierungen.“
Wird auch das Jugendübernachtungshaus im Klostergarten weiterbetrieben? „Ja, das wollen wir gerne und ich bin Stadtpfarrer Prälat Metzl hier sehr dankbar für seine Unterstützung. Dazu sind noch einige Beschlüsse von Seiten der Diözese sowie die rechtlich erforderlichen Umwidmungen nötig. Wir hoffen, dass wir im kommenden Frühjahr wieder Jugendgruppen im Jugendübernachtungshaus beherbergen dürfen“, zeigt sich Bruder Gabriel optimistisch. Denn die Jugendarbeit liegt ihm besonders am Herzen.
So möchte er gerne Einkehrtage und Exerzitien anbieten: „Unser ganz großer Wunsch ist die Lectio Divina (gewissermaßen eine betende Betrachtung über Bibeltexten, Anm. d. Red.). Unsere Vision ist es, beizutragen zur Vertiefung des Glaubens – etwa durch Exerzitienwochen mit der Lectio Divina, wo wir den Menschen zeigen, wie sie selbst die Bibel lesen und daraus Kraft für den Alltag schöpfen können. Im besten Fall werden sie dann selbst wieder zu Aposteln“.
Der Glaube solle wieder Einzug halten in die Familien. Und das gehe nur, wenn das Wort Gottes auch wirklich ankomme bei den Menschen. „Ich möchte nicht nur predigen als Priester“, sagt Bruder Gabriel. Es mache Freude, durch Glaubensvertiefung eine Entwicklung zu sehen: „Diese Bibelarbeit mit Jugendlichen zu machen, ist die schönste Arbeit. Dabei erleben wir inzwischen immer wieder, dass die Jugendlichen dann ihre Eltern anstecken mit der Freude am Glauben.“
Sollten über diese Pläne hinaus noch Ressourcen da sein, möchte Bruder Gabriel gerne jeden Monat eine Fußwallfahrt von Heiligenstatt nach Altötting als Priester begleiten. Denn beim Gehen könne man mit den Menschen ganz anders ins Gespräch kommen. Zurzeit bemühen sich die Brüder um die Genehmigungen, in St. Magdalena eine Pilgerherberge führen zu dürfen für Menschen, die eine Zeit lang in stillem Gebet und Anbetung zur Ruhe kommen wollen. „Dabei wollen wir keine Konkurrenz zu den Hotels vor Ort aufbauen“, betont der Hausobere.
Verkündigung als Ordenskern, das ist klar geworden. Aber Brüder Samariter – klingt das nicht eher nach „tätiger Nächstenliebe“, nach Tat, nicht Wort? Bruder Gabriel erklärt das Samaritanische im Ordensnamen so: „An unseren Standorten in Deutschland und Österreich sind die materiellen Bedürfnisse gut abgedeckt. Wenn hier nichts da wäre, dann wären wir natürlich gefordert. Wir legen unser Hauptaugenmerk mehr auf die seelisch-geistige Not. Dort wollen wir den Menschen entgegenkommen.“
Gibt es dieses starke Bedürfnis denn wirklich? „Die Menschen haben – nicht zuletzt auch durch die Erfahrungen des Lockdowns – wieder das Bedürfnis nach Gemeinschaft, auch wieder gemeinsam Gott loben und preisen zu können in der Kirche. Als Gläubige brauchen wir keinen Bildschirm vor uns, wir wollen uns persönlich treffen – uns darüber austauschen, wie wunderbar unser Glaube ist, wie wunderbar unser Gott ist, warum ich glaube, warum ich zu Maria pilgere,“ ist Bruder Gabriel überzeugt. Er als Geistlicher nimmt sich da nicht aus: „Ich bin Teil der kirchlichen Gemeinschaft, ich brauche die Gemeinschaft und die Gemeinschaft braucht mich.“ Die Sorge, dass sich die Menschen in der Corona-Zeit an ihr „Einsiedlertum“ vor dem Bildschirm so sehr gewöhnt haben, dass sie gar nicht mehr in das kirchliche Präsenzleben zurückkommen, teilt Bruder Gabriel nicht: „Der Bildschirm ist kalt, der schenkt mir kein Leben. Die Menschen kommen wieder, unsere Gottesdienste sind gut besucht.“ Wie übrigens auch die Beichtstühle – St. Magdalena soll ohnehin weiter zentrale Beichtkirche bleiben.
Doch ist die Übernahme eines großen Klosterkomplexes im größten deutschen Marienwallfahrtsort nicht auch eine starke Herausforderung für eine noch junge Ordensgemeinschaft? „Ohne Zuversicht geht sicher nichts, dass man immer Hoffnung hat“, weiß Bruder Gabriel. Der Beginn sei ganz einfach erklärt: Er sei einmal mit zwei Mitbrüdern nach Altötting gepilgert und habe in der Stiftspfarrkirche eine heilige Messe gefeiert. Dann habe ihn der Mesner gefragt: ‚Da drüben wird das Kloster frei in vier Jahren, wäre das nicht etwas für euch?‘ Fragen kann man ja mal beim Bischof, habe er sich gedacht. Und „dann kam eine Einladung zu einem ersten Gespräch, dann kamen weitere Gespräche und so hat es sich langsam entwickelt.“
Als Ordensleute erkennbar zu sein – die Samariter tragen einen schwarzen Habit mit grüner Schnur – sei übrigens auch ein Grund, „warum die Wahl der Diözese Passau auf uns gefallen ist. Wir sind auf den ersten Blick als Geistliche erkennbar und wir sind immer ansprechbar“. Das sei Apostolat: „Ich bin der Gesandte, der Apostel, der im Namen Jesu zu den Menschen kommt“. Es gehe nicht darum, die Menschen an den Orden zu binden, sondern ihnen zu helfen – wie es auch der Samariter gemacht habe. Das ist es, was Bruder Gabriel umtreibt: „Dass die Menschen von innen heraus Heilung erfahren, ihr Leben ändern, selber auch zu Samaritern in ihrer Umgebung werden.“
Text: Wolfgang Terhörst