Das glauben wir

Die Not der Menschen sehen

Redaktion am 14.12.2021

S16 bruedergemeinschaft wt alb Foto: Wolfgang Terhörst
Die Hausgemeinschaft im St. Magdalena-Kloster Altötting besteht aus den Priestern Br. Gabriel Hüger (Hausoberer, r.), Br. Michael Gerhard Kassler (Kaplan, 2.v.r.), Br. Martin Paul Thaller (Einkehr- und Exerzitienleiter, 2.v.l.), Diakon Br. Josef Bernhard Geiblinger (l.) sowie dem Priester- und Ordensanwärter Br. Martin Johannes Teizer (Mesner und Buchhaltung, nicht im Bild).

Am 5. September wurden die Brüder Samariter FLUHM im Rahmen eines Gottesdienstes offiziell als Nachfolger der Kapuziner im Altöttinger St. Magdalena-Kloster begrüßt. Im Gespräch gewährt der Hausobere Bruder Gabriel Hüger Einblicke wie Ausblicke in den jungen Orden und dessen Präsenz am Gnadenort.

Die freund­li­che und unkom­pli­zier­te Art von Bru­der Gabri­el macht es einem leicht, Zugang zur neu­en Ordens­ge­mein­schaft am Kapell­platz zu fin­den. Genau das soll auch die Arbeit der Brü­der prä­gen: den Men­schen Zugang zu ermög­li­chen – Zugang zur Hei­li­gen Schrift, Zugang zu Gott und zum Glau­ben. Doch der Rei­he nach.

Gegrün­det wur­de der jun­ge Orden 1982 durch den pol­ni­schen Pries­ter Andrzej Mich­alek aus einem pri­va­ten Gebets­kreis her­aus. Ers­ter Gene­ral­obe­rer wur­de Bru­der Gabri­el Hüger. Inzwi­schen gibt es Nie­der­las­sun­gen in Klein-Maria­zell, Haf­ner­berg, Pot­ten­stein, St. Coro­na am Schöpfl, Retz (alle Nie­der­ös­ter­reich) und Hila­ri­berg (Tirol). Und eben ganz frisch in Alt­öt­ting. Das passt gut, ist doch die Mari­en­ver­eh­rung ein zen­tra­ler Bestand­teil der Ordens­spi­ri­tua­li­tät. Womit wir beim kom­pli­zier­te­ren Teil des Ordens­na­mens wären, dem Kür­zel FLUHM. Es steht für Flam­me der Lie­be des Unbe­fleck­ten Her­zens Mari­ens“. Die Gemein­schaft in Alt­öt­ting ist ein ein­ge­tra­ge­ner Ver­ein. Die Gemein­nüt­zig­keit soll dabei hel­fen, die Betriebs­kos­ten des gro­ßen Gebäu­de­kom­ple­xes samt Per­so­nal bes­ser schul­tern zu können.

Soll er den Kern sei­nes Ordens erklä­ren bringt es Bru­der Gabri­el so auf den Punkt: Wir sind eine Brü­der­ge­mein­schaft in der Tra­di­ti­on des barm­her­zi­gen Sama­ri­ters, der die Not der Men­schen sieht und nicht vor­bei geht, son­dern ste­hen bleibt und hilft. Ein wei­te­rer Schwer­punkt ist das Maria­ni­sche, die Lie­be der Mut­ter Got­tes, die wir wei­ter­ge­ben möch­ten. Das passt natür­lich wun­der­bar auch zum Wall­fahrts­ort Alt­öt­ting. Die Men­schen, die als Pil­ger kom­men, sind hung­rig, wol­len mehr von Gott hören und sei­ne Hil­fe erfah­ren. Das ist genau unser Wunsch: Den Men­schen unse­ren wun­der­ba­ren Glau­ben näherzubringen.“

Schön und gut, aber hat es dafür unbe­dingt einen neu­en Orden gebraucht? Es gibt doch schon so vie­le und die meis­ten haben ohne­hin Nach­wuchs­pro­ble­me. Lächelnd pariert Bru­der Gabri­el die klei­ne Pro­vo­ka­ti­on: Papst Fran­zis­kus hat mal so schön gesagt, wir sol­len bereit sein für die Über­ra­schun­gen des Hei­li­gen Geis­tes. Der Hei­li­ge Geist reagiert stän­dig auf die Nöte der Zeit und die Kir­che wird immer wie­der neue Blu­men hervorbringen.“

Die Brü­der Sama­ri­ter haben zuge­hört und sehen dem­nach ihre Zukunft unter ande­rem in der Wall­fahrts­seel­sor­ge. In allen Zei­ten der Kir­che sei­en Wall­fahrts­or­te von den Men­schen gern auf­ge­sucht wor­den, bekräf­tigt Pater Gabri­el: So wol­len wir an den ver­schie­de­nen Wall­fahrts­or­ten, an denen unse­re Gemein­schaft bereits ange­sie­delt ist, den Men­schen mit ihren Freu­den und Lei­den begeg­nen, sie bekannt­ma­chen mit den Schät­zen der katho­li­schen Kir­che und sie beglei­ten zu einer per­sön­li­chen Freund­schaft mit Jesus.

In Alt­öt­ting wol­len sich die fünf Brü­der vor Ort zunächst ein­mal nach Kräf­ten bei den bestehen­den Diens­ten und Pro­gram­men ein­brin­gen. Wenn uns jetzt von der Diö­ze­se Pas­sau die­ses wun­der­ba­re Klos­ter anver­traut wor­den ist, dann nicht zum Eigen­nutz“, betont der Haus­obe­re. Dazu soll das Klos­ter – abge­se­hen von den fünf Klau­sur­zim­mern – für die Men­schen da sein, die Gott suchen, die Stil­le brau­chen oder auch für ver­schie­de­ne Grup­pen aus der Pfar­rei oder aus der Wall­fahrt wie zum Bei­spiel die Pil­ger­be­treu­er. Mit der Admi­nis­tra­ti­on sei aus­ge­macht, dass es ver­schie­de­ne Räu­me gibt, die für alle da sind – den Club-Raum etwa und das Refek­to­ri­um. Wir als Brü­der Sama­ri­ter koor­di­nie­ren die Nut­zung und machen ent­spre­chen­de Reservierungen.“

Wird auch das Jugend­über­nach­tungs­haus im Klos­ter­gar­ten wei­ter­be­trie­ben? Ja, das wol­len wir ger­ne und ich bin Stadt­pfar­rer Prä­lat Metzl hier sehr dank­bar für sei­ne Unter­stüt­zung. Dazu sind noch eini­ge Beschlüs­se von Sei­ten der Diö­ze­se sowie die recht­lich erfor­der­li­chen Umwid­mun­gen nötig. Wir hof­fen, dass wir im kom­men­den Früh­jahr wie­der Jugend­grup­pen im Jugend­über­nach­tungs­haus beher­ber­gen dür­fen“, zeigt sich Bru­der Gabri­el opti­mis­tisch. Denn die Jugend­ar­beit liegt ihm beson­ders am Herzen.

So möch­te er ger­ne Ein­kehr­ta­ge und Exer­zi­ti­en anbie­ten: Unser ganz gro­ßer Wunsch ist die Lec­tio Divina (gewis­ser­ma­ßen eine beten­de Betrach­tung über Bibel­tex­ten, Anm. d. Red.). Unse­re Visi­on ist es, bei­zu­tra­gen zur Ver­tie­fung des Glau­bens – etwa durch Exer­zi­ti­en­wo­chen mit der Lec­tio Divina, wo wir den Men­schen zei­gen, wie sie selbst die Bibel lesen und dar­aus Kraft für den All­tag schöp­fen kön­nen. Im bes­ten Fall wer­den sie dann selbst wie­der zu Aposteln“.

Der Glau­be sol­le wie­der Ein­zug hal­ten in die Fami­li­en. Und das gehe nur, wenn das Wort Got­tes auch wirk­lich ankom­me bei den Men­schen. Ich möch­te nicht nur pre­di­gen als Pries­ter“, sagt Bru­der Gabri­el. Es mache Freu­de, durch Glau­bens­ver­tie­fung eine Ent­wick­lung zu sehen: Die­se Bibel­ar­beit mit Jugend­li­chen zu machen, ist die schöns­te Arbeit. Dabei erle­ben wir inzwi­schen immer wie­der, dass die Jugend­li­chen dann ihre Eltern anste­cken mit der Freu­de am Glauben.“

Soll­ten über die­se Plä­ne hin­aus noch Res­sour­cen da sein, möch­te Bru­der Gabri­el ger­ne jeden Monat eine Fuß­wall­fahrt von Hei­li­gen­statt nach Alt­öt­ting als Pries­ter beglei­ten. Denn beim Gehen kön­ne man mit den Men­schen ganz anders ins Gespräch kom­men. Zur­zeit bemü­hen sich die Brü­der um die Geneh­mi­gun­gen, in St. Mag­da­le­na eine Pil­ger­her­ber­ge füh­ren zu dür­fen für Men­schen, die eine Zeit lang in stil­lem Gebet und Anbe­tung zur Ruhe kom­men wol­len. Dabei wol­len wir kei­ne Kon­kur­renz zu den Hotels vor Ort auf­bau­en“, betont der Hausobere.

Ver­kün­di­gung als Ordens­kern, das ist klar gewor­den. Aber Brü­der Sama­ri­ter – klingt das nicht eher nach täti­ger Nächs­ten­lie­be“, nach Tat, nicht Wort? Bru­der Gabri­el erklärt das Sama­ri­ta­ni­sche im Ordens­na­men so: An unse­ren Stand­or­ten in Deutsch­land und Öster­reich sind die mate­ri­el­len Bedürf­nis­se gut abge­deckt. Wenn hier nichts da wäre, dann wären wir natür­lich gefor­dert. Wir legen unser Haupt­au­gen­merk mehr auf die see­lisch-geis­ti­ge Not. Dort wol­len wir den Men­schen entgegenkommen.“

Gibt es die­ses star­ke Bedürf­nis denn wirk­lich? Die Men­schen haben – nicht zuletzt auch durch die Erfah­run­gen des Lock­downs – wie­der das Bedürf­nis nach Gemein­schaft, auch wie­der gemein­sam Gott loben und prei­sen zu kön­nen in der Kir­che. Als Gläu­bi­ge brau­chen wir kei­nen Bild­schirm vor uns, wir wol­len uns per­sön­lich tref­fen – uns dar­über aus­tau­schen, wie wun­der­bar unser Glau­be ist, wie wun­der­bar unser Gott ist, war­um ich glau­be, war­um ich zu Maria pil­ge­re,“ ist Bru­der Gabri­el über­zeugt. Er als Geist­li­cher nimmt sich da nicht aus: Ich bin Teil der kirch­li­chen Gemein­schaft, ich brau­che die Gemein­schaft und die Gemein­schaft braucht mich.“ Die Sor­ge, dass sich die Men­schen in der Coro­na-Zeit an ihr Ein­sied­ler­tum“ vor dem Bild­schirm so sehr gewöhnt haben, dass sie gar nicht mehr in das kirch­li­che Prä­senz­le­ben zurück­kom­men, teilt Bru­der Gabri­el nicht: Der Bild­schirm ist kalt, der schenkt mir kein Leben. Die Men­schen kom­men wie­der, unse­re Got­tes­diens­te sind gut besucht.“ Wie übri­gens auch die Beicht­stüh­le – St. Mag­da­le­na soll ohne­hin wei­ter zen­tra­le Beicht­kir­che bleiben.

Doch ist die Über­nah­me eines gro­ßen Klos­ter­kom­ple­xes im größ­ten deut­schen Mari­en­wall­fahrts­ort nicht auch eine star­ke Her­aus­for­de­rung für eine noch jun­ge Ordens­ge­mein­schaft? Ohne Zuver­sicht geht sicher nichts, dass man immer Hoff­nung hat“, weiß Bru­der Gabri­el. Der Beginn sei ganz ein­fach erklärt: Er sei ein­mal mit zwei Mit­brü­dern nach Alt­öt­ting gepil­gert und habe in der Stift­s­pfarr­kir­che eine hei­li­ge Mes­se gefei­ert. Dann habe ihn der Mes­ner gefragt: Da drü­ben wird das Klos­ter frei in vier Jah­ren, wäre das nicht etwas für euch?‘ Fra­gen kann man ja mal beim Bischof, habe er sich gedacht. Und dann kam eine Ein­la­dung zu einem ers­ten Gespräch, dann kamen wei­te­re Gesprä­che und so hat es sich lang­sam entwickelt.“

Als Ordens­leu­te erkenn­bar zu sein – die Sama­ri­ter tra­gen einen schwar­zen Habit mit grü­ner Schnur – sei übri­gens auch ein Grund, war­um die Wahl der Diö­ze­se Pas­sau auf uns gefal­len ist. Wir sind auf den ers­ten Blick als Geist­li­che erkenn­bar und wir sind immer ansprech­bar“. Das sei Apos­to­lat: Ich bin der Gesand­te, der Apos­tel, der im Namen Jesu zu den Men­schen kommt“. Es gehe nicht dar­um, die Men­schen an den Orden zu bin­den, son­dern ihnen zu hel­fen – wie es auch der Sama­ri­ter gemacht habe. Das ist es, was Bru­der Gabri­el umtreibt: Dass die Men­schen von innen her­aus Hei­lung erfah­ren, ihr Leben ändern, sel­ber auch zu Sama­ri­tern in ihrer Umge­bung werden.“

S16 bruder gabriel wt alb Fotos: Wolfgang Terhörst
Einladend sein: Bruder Gabriel Hüger zeigt in der Hauskapelle die Mappe, in der die Anliegen der Gläubigen aus dem „Kummerkasten“ in der St. Magdalena-Kirche gesammelt werden (l.) – und die täglich ins Gebet eingeschlossen werden. Als neue Hausherren im Kloster St. Magdalena (r.) möchten die Brüder Samariter Raum und Räume bieten sowohl für die unterschiedlichsten Gruppen des kirchlichen Geschehens in Altötting selbst, als auch für Menschen, die von weiter her kommen, um ihren Glauben im Wallfahrtsort zu stärken.

Text: Wolf­gang Terhörst

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